Samstag, 14. Mai 2022

14 Jahre auf der Insel unter Palmen am Meer

Oftmals treffen wir Entscheidungen, bei denen sich erst später herausstellt, dass wir in einem grösseren Zusammenhang gehandelt haben, der mit `Schicksal` umschrieben wird. Im Jahre 2005 bin ich nach anstrengender beruflicher Tätigkeit als Brückenbau-Ingenieur aufgrund einer rheumatischen Gelenkserkrankung auf den 19.Breitengrad unter Palmen am Meer ausgewandert, wo das ganze Jahr Sommer ist und eine Heilung meiner Beschwerden zu erwarten war. 
Ich mietete ein schmuckes Häuschen in Las Terrenas auf der Insel Hispaniola an der Playa Bonita und verlebte eine eigentlich ruhige und friedliche Zeit von 5 Jahren im wunderschönen Haus von Markus in einer paradiesischen Umgebung unter Palmen am Meer. Es gibt dort weder Lärm noch Autoabgase, weder Rummel noch Einschränkungen irgendwelcher Art, aber auch keinen Supermarkt, keinen Arzt und auch keinen öffentlichen Verkehr. Es ist eine eigentliche Naturheilstätte, in der meine rheumatischen Beschwerden schon bald verschwunden waren und ich so richtig mit der Natur in Einklang kam. 
Ich verbrachte meine Zeit mit schriftstellerischen Arbeiten und einer Vorfabrikation von Stahlbeton-Fertigteilen die ich als sogenannte Verlorene Schalung für Betondecken einsetzen wollte. Dabei hatte ich nicht mit der `Schlauheit ` einheimischer Bauunternehmungen gerechnet.

Als ich zufällig mit meinem Motorroller hinter einem Lastwagen fuhr, bemerkte ich, dass er die Ladefläche mit den von mir entworfenen und dann nachproduzierten Beton-Elementen voll geladen hatte, die dann, wie sich durch meine Recherche herausstellte, im neuen Atlantik-Village bei El Portillo eingebaut wurden. Ich dachte zunächst an rechtliche Schritte, entschied mich aber wegen der für Nichtdominikaner aussichtslosen Rechtslage, dies tunlich zu unterlassen. Wenngleich folglich dabei für mich kein Profit erzielt werden konnte, so empfand ich doch eine grosse Befriedigung darüber, dass mit meiner Hilfe  eine echte Innovation etabliert werden konnte. 
Die Innovation bestand ja darin, dass auf der Insel praktisch nur Palmen stehen und aus den hohlen Baumstämmen keine Bretter geschnitten werden können und man das Holz sehr teuer aus den USA einführen muss.
Ich war häufig bei meiner Wohngemeinschaft, schon weil sich jedes Mal alle, einschliesslich mein Hündlein Pedroli freuten, mich zu sehen. Zudem machte es mir grosses Vergnügen, mit Raymonde in der Bodega Bar und im Pueblo de los Pescadores tanzen zu gehen und den einen oder auch zweiten Caipirinha zu trinken.
Ich begann dann mit einigen dominikanischen Familien eine Noni Tee-Produktion mit Noni-Früchten, die hier am Meer an Nonibäumen wachsen und als Gesundheits-Tee getrunken werden. 
Die Früchte werden , sobald sie reif sind, mit Hack-Messern zerkleinert, auf Blechen in der Sonne getrocknet und danach zunächst mit Maismühlen und schliesslich in Schnitzer-Mühlen gemahlen. 
Als ich Paul Blöchlinger von der Nature First Apotheke in Zürich eine Probe mitbrachte, war er so begeistert, dass er mir grad einen grösseren Auftrag erteilte, dem ich gerne nachkam, weil dadurch auch die dominikanischen Familien einen temporären Erwerb hatten.

Das grosse Erdbeben in Haiti
Am 12,Januar 2010 abends um halb Sechs Uhr bebte die Erde und legte Port au Prince, die Hauptstadt von Haiti in Trümmer. Etwa 220000 Menschen sind dabei ums Leben gekommen. Stahlbetonbauten sind zusammengeklappt wie Kartenhäuser. Ich hatte 3 Wochen vorher Raymonde kennen gelernt, eine alleinerziehende Mutter von 2 Kindern, deren Heimat Port au Prince war, Hauptstadt von Haiti. 
Einen Tag nach dem Erdbeben erhielt ich die Anfrage, eine Hilfsorganisation auf die Beine zu stellen und in Haiti Hilfe zu leisten. Ich sagte nach Rücksprache mit Raymonde sofort zu. Dank ihrer guten Vernetzung in Haiti hatte ich schon zwei Tage danach eine Hilfsgruppe mit dem richtigen Hilfspersonal zusammen und konnte unmittelbar danach mit der Soforthilfe vor Ort in La Saline, dem Slum am Hafen von Port au Prince beginnen.

Ich bin überzeugt davon, dass meine geistige Führung geholfen hat, die Hilfsgruppe so rasch zu organisieren, dass wir bereits nach 2 Tagen mit der Suppenküche vor Ort einsatzbereit waren, die Mama Madou mit Mme.Vousèle und Ciliana eingerichtet hatten. Doctora Junette hat die Erste Hilfe auf der Plaza Sta.Anna geleistet. Pastor Joseph hatte sofort begonnen, vollwaise Kinder zu sammeln. 

Papa Adrian hat sofort mit Jodny, Alvin und Barba begonnen, die Infrastruktur zu normalisieren. Raymonde und ich sind wieder zum 600 km entfernten Las Terenas zurückgekehrt und Jodny,der Bruder von Raymonde hat in meiner Abwesenheit die Hilfsarbeiten geleitet und unterstützt.


Über unsere Arbeit in der Hilfsgruppe ist im weiteren in den Beiträgen eingehend berichtet worden. 

Was ist aus der Hilfsgruppe geworden?
Raymonde lebt vorübergehend in den USA, Mama Madou lebt mit Alvin, Ingreed, seiner Frau und 5 Kinder in der Wohngemeinschaft, Doctora Junette lebt in Haiti und Jodny, Pastor Joseph und Adrien sind gestorben.
Pastor Josephs Kinderdorf und Mama Madous Suppenküche 

Im Jahr 2011 mussten die Hilfsarbeiten beendet werden, einerseits weil die Hilfsgelder aufgebraucht waren, anderseits weil eine Cholera-Epidemie ausbrach, über die ich berichtet habe und gegen die wir mit unseren bescheidenen Mitteln keine Chance hatten.
Im Zusammenhang mit der misslichen Gesundheitssituation in Haiti sind Pastor Joseph (2011), Papa Adrien /2011) und Jodny (2012) gestorben. Mama Madou, Raymonde und Alvin habe ich im 2011 mit ihren Kindern zu mir nach Las Terrenas in meine neue haitianische Wohngemeinschaft mitgenommen.

Wohngemeinschaft in Las Terrenas
Im Frühjahr 2011 mietete ich in Las Terrenas das Erdgeschoss eines Hauses, das Pastor Gustavo Pascual gehört und vier Zimmer, Bad, Küche und eine gedeckte Terrasse hat, ideal für die Kinder. Die Wohngemeinschaft bestand nun aus Mama Madou, zunächst Papa Adrien, Raymonde mit ihren drei Kindern, Alvin und Ingreed mit ihrem Kind. 
Die gesamte Finanzierung der Wohngemeinschaft musste ich nun alleine tragen. Ich richtete Raymonde eine kleine Mode-Boutique in Las Terrenas ein, die schon nach drei Monaten Gewinn abwarf. 
Ich selbst bezog in Las Terrenas eine kleine 1-Zimmer-Wohnung unter Fischern an der Playa von Las Terrenas, dort habe ich mich wohlgefühlt, dort war meine 2.Heimat, bei den Fischern von Las Terrenas, bei Martha und Vidal, Neno, Pieter und Mary, bei Leo und Yaya und so viele andere. 
Im 2014 war ich für 3 Monate bei Gernot im Palmengarten mit den Papageien. Das war einfach ein Traum, dort zu wohnen, wenn es nur nicht so viele Moskitos gegeben hätte, die haben mich echt angegriffen, sodass ich mich nur schwer habe wehren können.
Sylvie, die Malaria-Ärztin aus Strasbourg, hatte ein längerfristiges Malaria-Testprogramm in Französisch-Guayana, das von Bill Gates finanziert wurde und sie war froh, dass ich zwischendurch ihr Haus auf dem Vanderhorst-Berg bewohnte.

Aber mich zog es wieder zu den Fischern, wo mir Pieter sein Haus vermietete, weil er lieber mit seiner Familie im Palmenwäldchen von Come Pan leben wollte. Ich bevorzugte das Leben bei den Fischern, die zwar mausarm waren, aber von solch einer gefühlsaktiven herzensguten Mitmenschlichkeit, dass ich gerne noch geblieben wäre. Aber es machte sich im 2018 eine Gehbehinderung schleichend bemerkbar, die sich schliesslich als Parkinson-Erkrankung herausstellte, sodass ich im Oktober 2019 notfallmässig in die Schweiz zurückkehren musste.