Das Erdbeben vom 12.Januar 2010 in Haiti
Haiti: Ein starkes Erdbeben erschüttert den bitterarmen Karibikstaat Haiti und richtet vor allem in der Hauptstadt Port-au-Prince große Schäden an. Nach Schätzungen der verschiedenen Organisationen kommen zwischen 220.000 und 500.000 Menschen ums Leben. Über 310.000 weitere Personen werden verletzt und schätzungsweise 1,85 Millionen Menschen obdachlos. Insgesamt sind etwa 3,2 Millionen Menschen, das heißt ein Drittel der Bevölkerung Haitis, von der Naturkatastrophe betroffen. Das Erdbeben ereignet sich um 21:53 UTC (16:53 Uhr Ortszeit). Das Epizentrum liegt etwa 25 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Haitis, Port-au-Prince, das Hypozentrum etwa 13 Kilometer darunter. Die Stärke des Erdbebens wurde vom United States Geological Survey (USGS) mit 7,0 Mw auf der Momenten-Magnituden-Skala gemessen.
(Auszug aus Chroniknet)
Wie ich das Erdbeben erlebte
Ich sass vor dem PC in meiner neuen Behausung in Las Terrenas auf der Halbinsel Samana der Insel Hispaniola, als die Erde wackelte. Ich hatte vor Weihnachten meine neue haitianische Freundin Raymonde mit ihren zwei Kindern Steki und Chichi kennen gelernt und war dabei, mich am Palapa Beach mit Blick aufs Meer neu einzurichten.
Helle Aufregung bei ihr, sie telefoniert nach Port au Prince, keine Antwort. Um 6 Uhr kommt die Meldung, schweres Erdbeben in Haiti. Epizentrum ist die Hauptstadt Port au Prince`. Raymonde kommt aus Port au Prince und ruft sofort ihre Mutter Madou an, keine Antwort. Sie ruft ihren Bruder Jodny an, keine Antwort, Sie ruft ihren zweiten Bruder Alvin an, ebenfalls keine Antwort. Sie ist schwer beunruhigt. In den nächsten Nachrichten wird gemeldet, Die Stadt Port au Prince liegt in Schutt und Asche.
Erste Hilfe organisieren
Am 13.Januar erhalte ich einen Anruf aus Zürich, dass eine Familienstiftung eine grössere Summe zur Verfügung stellen will, um Soforthilfe zu leisten. Wenn ich zustimme, sei das Geld am nächsten Tag auf meinem Konto und ich könne es nach eigenem Ermessen sofort in Haiti einsetzen. Allerdings mit der Massgabe: 'Leiste Erste Hilfe vor Ort, richte eine Suppenküche ein und sammle Kinder von der Strasse auf, die ihre Eltern verloren haben!'
Als ich das mit Raymonde beprach, lachte sie nur und sagte, lass` mich das mal machen, ich habe viele Freunde dort. Sie rief nach Haiti an. Aber es dauerte lange, bis sie endlich ihre Mutter am Telefon hatte. Und dann war sie erst mal sehr froh, dass es ihr gut ging. Dann erklärte sie ihr das Problem und Mama Madou versprach, alles vor Ort zu organisieren. Und als ich nachher fragte, was `vor Ort` heisst, erklärte sie mir, dass das La Saline, der Slum am Hafen von Port au Prince sei.
Mama Madou und Adrien wollten das ganze Projekt vor Ort organisieren und leiten. Sie waren überglücklich, dass nun Hilfe in der Not kommen werde.
Der nächste Tag war sehr hektisch für mich. Als erstes brauchte ich einen Jeep mit Allradantrieb, denn die Strassen in Haiti, so hatte ich mich erkundigt, waren damals in einem erbärmlichen Zustand. Ich klapperte alle Autovermietungen in Las Terrenas ab, aber ich bekam keine Zusage, sogar Sainar an der Calle Duarte, der ein guter Bekannter von mir war, erklärte mir, dass ihm das Risiko in Haiti zu hoch sei und überhaupt, keine Versicherung würde ein Auto für eine Fahrt in das Erdbebengebiet von Haiti versichern.. Da stand ich nun mit nur meiner Pasola, wie bekam ich das Projekt in die Gänge? - Aber Raymonde wusste mal wieder, was Sache ist. Sie hatte einen Bekannten, Andy, der ab diesem Moment zu einem meiner besten Freunde wurde, der hatte einen Geländewagen, Chevrolet Tracker.
Und Andy sagte zu, ich könne seinen Chevrolet mit Allradantrieb bekommen, müsse aber für alle Schäden am Auto aufkommen. Ich stimmte zu, war es doch meine einzige Option. - Und am Abend war das Auto vollgepackt, für eine Reise ins Unbekannte, in das 600km entfernte Erdbebengebiet von Haiti.
Schon sehr früh am nächsten Tag ging es los
Die asphaltierte Strecke über Santo Domingo nach Barahona war kein Problem, von da bis an die Grenze von Jimani, am Lago Enriquillo vorbei war Schotterpiste und an der Grenze musste ich noch ein Grenzproblem mit Geld lösen.
Die Hilfsgruppe in La Saline organisieren
Am frühen Morgen machte Raymonde mich mit ihrer Mutter Mama Madou, ihrem Vater Adrien, dessen Bruder Basmat, ihrem Bruder Jodny, Doctora Junette und Pastor Samson Joseph bekannt. Es war wie ein Wunder, Mama Madou hatte alle zusammengetrommelt, Doctora Junette war bereit, die Erste Hilfe-Arbeit zu übernehmen, Mama Madou hatte vor dem Erdbeben ein kleines Bistro gehabt und konnte selbst die Suppenküche mit Madame Vousèle übernehmen, Pastor Samson war ja bereits dabei, obdachlose Kinder aufzunehmen, und Jodny, der vor dem Erdbeben Angestellter im Transport-Ministerium von Haiti war, wurde nun mein Stellvertreter. Zu erwähnen ist noch, dass Jodny von seiner Arbeit einen Pick up besass, aber jetzt arbeitslos war, weil das Bürogebäude, in dem sein Office war, beim Erdbeben einstürzte und seine Arbeit jetzt von MINUSTAH, einer UN-Militär-Organisation ausgeführt wurde. Raymonde war selbstverständlich meine Koordinatorin, weil sie nicht nur spanisch und französisch, sondern auch creolisch sprach, was hier allgemein gesprochen wird. Bruder Alvin sollte als Mitarbeiter dabei sein.
Vlnr Raymonde, Jodny, Mama Madou, Pastor Joseph, Dra.Junette, Adrien und Alvin
Auszug aus `14 Jahre auf der Insel` Erlebnisbericht von Hans Joachim Badzong
(HJB lebt jetzt in Zürich)